BZ vom 18.08.2020 mit Informationen:
«Zum ersten Mal wird im Baselbiet über eine Volksinitiative abgestimmt, die der Gemeinde verbieten will, ihr Land zu verkaufen. Es ist eine beliebte Geldbeschaffungsmethode in zahlreichen Gemeinden: Um ein grösseres Vorhaben zu finanzieren, verkauft man gemeindeeigenes Land. Das ist in der Vergangenheit auch in Binningen passiert und ist dort für den Bau zukünftiger Schulbauten wieder vorgesehen – falls das Volk dem nicht einen Riegel vorschiebt.»
Am 27. September kommt nämlich die Boden-initiative der SP an die Urne. Die Bestimmung darin: Die Gemeinde darf grundsätzlich kein eigenes Land mehr verkaufen. Und wenn sie es trotzdem tut, muss sie die gleiche Fläche anderswo erwerben, sodass jeweils im Fünfjahresrückblick der Flächensaldo positiv bleibt. Ausgenommen von dieser Regel ist Boden, der im Baurecht abgegeben wird.
Die Sozialdemokraten wollen damit die Landnutzung in Binningen in eine bestimmte Richtung lenken. Man wolle einen «Ausverkauf der Heimat» verhindern, heisst es auf der Webseite der Initiative. «Geben wir das Land an Genossenschaften ab, entziehen wir es der Spekulation und schaffen günstigen Wohn- und Arbeitsraum.»
Baurecht sei langfristig gewinnbringender für die Gemeinde als der Verkauf. Sie argumentieren zudem, die wertvollen Landreserven müssten den zukünftigen Generationen für öffentliche Bauvorhaben wie Schulen und Altersheime verfügbar bleiben. Schon heute fehle dafür der Platz.
Das stösst, wenig überraschend, auf der bürgerlichen Seite nicht auf Gegenliebe. Der Boden in Gemeindebesitz sei aus Mitteln aller Steuerzahler geschaffen worden, ruft FDP-Einwohnerrat Christoph Daniel Maier in Erinnerung. «Die Initianten wollen jetzt aber, dass dieser Boden nur für bestimmte Gruppen reserviert sein soll, nämlich für Baurechtnehmer und Genossenschaften.» Und zur Finanzierung der über 100 Millionen Franken Investitionen in Schulbauten, die in Binningen anstehen, gebe es mehrere Möglichkeiten. Eine davon sei der Verkauf eines Teils des Finanzvermögens. «Aber genau das wollen die Initianten nicht. Sie wollen stattdessen die Steuern erhöhen.»
Das grosse Vorbild der Initianten befindet sich unmittelbar vor den Toren Binningens, nämlich in Basel. Der Stadtkanton kennt ein Verkaufsverbot von staatlichem Boden, seitdem der Souverän 2016 eine entsprechende Initiative mit Zweidrittelmehrheit angenommen hat.
Der durchschlagende Erfolg in Basel brachte schweizweit eine Lawine ins Rollen. Inzwischen sind in rund einem Dutzend Gemeinden Initiativen lanciert worden, die weitgehend dem Wortlaut aus Basel entsprechen. Sie wurden inzwischen fast überall angenommen, und zwar meist deutlich. Das war nicht nur in grossen Städten wie Luzern und Winterthur der Fall, wo linke Anliegen erfahrungsgemäss viel Anklang finden. Auch in kleineren, mit Binningen vergleichbaren Gemeinden waren rund zwei Drittel der Stimmbürger für die Boden-initiativen, etwa in Emmen LU, Adliswil ZH oder Sursee LU. Auch in Pratteln ist eine Volksbegehren hängig.
Ein Verbot, gemeindeeigenes Land zu verkaufen, kennt sogar Wollerau, die Tiefsteuergemeinde in Schwyz, die nicht als linke Hochburg bekannt ist. In Binningen setzen sich neben der SP und den Grünen verschiedene Organisationen im Miet- und Wohngenossenschaftsbereich für die Initiative ein. «Es wird nicht einfach für uns, die Bürger zu überzeugen, dass die Initiative eine Mogelpackung ist», ist sich Maier bewusst. Denn sie appelliere mit dem Slogan «Behalten» an die konservative Gesinnung, die viele Bürgerliche hätten.
Binningen ist die erste Gemeinde im Baselbiet, die über eine solche Initiative abstimmt. Für Maier ist klar, dass das ein «Versuchsballon» der SP sei – was Adil Koller, Präsident der kantonale SP, in Abrede stellt. «Es gibt schon in diversen Gemeinden Überlegungen, eine Initiative zu lancieren», sagt er. Aber eine gezielte Strategie der Kantonalpartei sei das nicht.
In Pratteln lancierte die SP im vergangenen Jahr eine fast gleich lautende Initiative wie in Binningen. Die Unterschriftensammlung wurde wegen Corona gestoppt, und seit Juli gibt es im Einwohnerrat und im Gemeinderat neu rot-grüne Mehrheiten. Die Partei überlegt sich, ihr Ziel mit einem Vorstoss statt mit einer Initiative zu erreichen.» Autor: Michel Ecklin